Futour Zeitgeist

Viva la Auszeit

Immer wieder hört man es, wenn sich Kollegen in die Aus- oder Elternzeit verabschieden: Dir einen schönen Urlaub, erhol Dich gut und komm gesund wieder!

Hartnäckig, ja sogar sehr hartnäckig, hält sich das Klischee von Eltern, die sich in der Sonne aalen, den ganzen Tag lesen und Abends eine Flasche Wein nach der anderen leeren. Jeder Tag gleich, volle Urlaubsroutine. Entspannung pur.

Mitnichten.

Daran merkt man wieder, wie weit die Kluft ist zwischen denen, die „die Firma am laufen halten (müssen)“ und denen, die völlig egoistisch mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen. Eine Auszeit, meine Freunde, ist purer Stress. Nichts ist anstrengender als blau zu machen. Hä? Jetzt aber mal langsam! Sehr gern.

Wer jeden Tag zu seiner freien Verfügung hat, der hat Zeit, seinen ganzen Hobbys zu frönen, seine kleinen Projekte und Träume zu verwirklichen. Genau. Und je länger man frei macht, desto mehr Projekte werden es und desto stressiger wird die Auszeit. Unglaublich, aber wahr.

Und jetzt stellt euch vor, man fährt in seiner Auszeit weg, am besten noch mit dem Nachwuchs in ferne Länder. Unglaublicher Stress. Das schaffen nur die wenigsten. Wahrscheinlich, weil viele sich von vornherein sagen, dass 24/7 über Wochen und Monate hinweg den modernen, westlichen Gewohnheiten von Individualität und Privatsphäre einfach mal so gar nicht entspricht, und sie darum gar nicht erst aufbrechen.

Nach 15.000 km durch Osteuropa, Russland und den Kaukasus à cinq auf 10 m² fahrbaren Untersatzes wäre ich fast geneigt diesen Leuten beizupflichten. Aber nur fast. Sicher, eine Elternzeit an einem oder einigen wenigen Orten, wenn man schon unbedingt wegfahren muss, ist smart. Nur: Wo bleibt da der Abenteuergeist, der esprit d’aventure meine Freunde?

Letztlich muss das jeder und jede für sich entscheiden. Solange er/sie sich für mehr Zeit mit seinen Kindern entscheidet und nicht für die Monotonie der Fabrik.

Das schwerste jedoch an einer solchen Auszeit, sie werden es schon erraten haben, ist die Rückkehr – die Rückkehr in den Alltag, die Rückkehr auf Arbeit. „Du bist ja vollkommen erholt, Du kannst ja jetzt…“ In Wirklichkeit hat man viele Projekte am Laufen und bräuchte noch mehr (Aus-)Zeit, einerseits. Andererseits wäre etwas Struktur, etwas Alltag auch nicht verkehrt. Aber dafür ist die Arbeit ja jetzt genau das Richtige. Und bereits nach kurzer Zeit fühlt man sich, als ob man nie weg gewesen wäre. Wobei, nicht ganz.

Etwas hat sich meist verändert: Man kann die Arbeitswelt nicht mehr zu 100% ernst nehmen, weil man begriffen hat, dass ein Leben auch ohne Lohnarbeit möglich, ja vielleicht sogar erstrebenswert, ist. Für den ein oder anderen. Aber die Entdeckung dieser Welt steht noch ganz am Anfang.