Afrika Zeitgeist

A million ways to travel…choose one!

Als ich kürzlich im Süden Marokkos entlang des Draa-Tals von Marrakesch nach M’hamid unterwegs sein durfte, erlebte ich einen gewaltigen Flashback. Auf genau dieser Route reiste ich vor 20 Jahren das erste Mal mit dem Rucksack durch Nordafrika. Mein erstes bleibendes Reiseerlebnis außerhalb Europas.

An vielen Orten ploppte mein Festplattenspeicher auf und holte längst verschollen geglaubte Erinnerungen in Form von Personen, Orten und Gerüchen wieder hervor. Ungewollt, aber wunderschön. Und während ich dieses Mal bequem im Mietwagen durch die Landschaft rollte, sah ich sie am Straßenrand, an Busbahnhöfen, in günstigen Restaurants: die neue Generation von Reisenden. Mit Rucksack, teilweise Dreadlocks, großen Bärten und offenkundig viel, viel Zeit im Gepäck. Genau wie ich vor 20 Jahren.

Und obwohl sich vieles in Marokko verändert hat, obwohl es längst kein Geheimtipp im heutigen Sinne mehr ist, obwohl das ganze Land über gutes, mobiles Internet und den damit verbundenen Annehmlichkeiten verfügt, kann man meiner Meinung nach noch genauso langlebige und einen selbst veränderte Reiseerlebnisse sammeln wie anno dazumal.

Warum schreibe ich das? Hat jemand das Gegenteil behauptet?

Wahrscheinlich schon seit es den modernen Tourismus gibt, behaupten die Altvorderen, dass in Ihrer Reisezeit alles authentischer, abenteuerlicher und somit irgendwie höherwertiger war. Aber ist das wirklich so?

So behauptet Franz Lerchenmüller in der Taz, dass das Herz des Reisens verloren geht. Die sozialen Medien führten dazu, dass alles schon entdeckt wäre und das Unvorhersehbare, das Zufällige und das Unverständliche nicht mehr Teil des Reisens sein kann. What a black and white story!

Zugegeben, das Internet hat die Art und Weise wie wir reisen verändert, aber sind wir nicht selbst die Agenten unseres Handelns? Wieso reißt das world wide web dem Reisen das Herz aus?

Irgendwie erinnert mich diese Debatte an die Erfindung der Eisenbahn oder des Fernsehapparats und die Ängste, die damit seiner Zeit einhergingen. ARTE vs. RTL 2. Die Annehmlichkeiten des Internet erweitern doch unsere Möglichkeiten auf Reisen, fügen Ihr neue Aspekte hinzu, bereichern sie. Halbvoll statt halbleer, honey.

Die in Lerchenmüllers Text implizit mitschwingende Annahme ist, dass es nur eine (richtige) Art des Reisens gäbe: Die der Entdeckerin, die Plätze erobern und heutzutage in Form von Fotos/Videos mit nach Hause bringt. Ist Reisen aber nicht viel mehr? Geht es nicht auch um die Menschen, die man trifft, um deren Geschichten und darum, sich selber Kennenzulernen und seine eigenen Grenzen auszuloten?

Und ob ich diese, meine Erfahrungen nun im Netz dokumentiere, meine Reiseroute vorab mit google maps plane oder nur die wichtigsten Seiten aus dem LP kopiere, das Gefühl des Aufbruchs, die Überwindung von zu Hause loszufahren, bleibt die gleiche. Und auch der allerschwerste Part einer jeden Reise – die Rückkehr nach Hause, das Wiedereinleben hat an seiner Heftigkeit bis heute nichts verloren. Online hin oder her! Wer anderer Meinung ist, sollte mal wieder den Rechner ausschalten und den Rucksack schultern.

Die anthropologische Konstante des Umherziehens, des Neugierig-Seins, das Interesse an Austausch und Kommunikation mit Anderen bleibt bestehen. Die Rahmenbedingungen ändern sich, klar, aber genau hier sollte man ansetzen. Kreativität bei neuen Formen des Reisens zeigen und nicht Rumheulen, das angeblich nichts mehr ist wie früher. Also schmiedet Pläne, lasst Euch inspirieren, verlasst die Komfortzone und erlebt Euch und die Welt draußen, wie Ihr es für richtig haltet!