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Arbeiten unter Palmen

schon lange wollte ich einmal ausprobieren, wie es ist zu arbeiten, wo andere Urlaub machen. Im Netz sieht das immer so aus: lässiger Typ mit seinem winzigen Laptop wahlweise in der Strandbar oder am Swimmingpool. Das Schlagwort lautet: Workation. Die ersten Treffer bei der Google-Suche zu dem Thema widmen sich vor allem arbeitsrechtlichen Fragen oder sind Statements von Coaches oder Unternehmensberatern zu den Vorteilen für Arbeitsnehmer- aber auch -Geber. Aber wie sieht der schnöde Alltag aus, wenn man im globalen Süden früh im Schichtbus auf „Kleeche“ fährt? Um das herauszufinden, begab ich mich nach Westafrika. In dem Fall allerdings nicht aufs Festland, sondern erstmal auf die Insel(n)- die Kapverden. Die Infrastruktur passt, das Netz läuft stabil, Coworking gibt es – wenn auch nur einen. Apartment gemietet und gleich noch die Familie mitgenommen. Wenn dann richtig.

7:10 klingelt der Wecker, 10:00 deutsche Zeit beginnt die Arbeit, wegen des Zeitunterschiedes von 2h werde ich zum Frühaufsteher. Vor der Tür fährt der Bus, meist gut gefüllt mit anderen Werktätigen, die auf dem Weg zur Lohnarbeit sind. Erster Unterschied: es ist um 7 Uhr bereits hell und es herrschen angenehme 24 Grad. Außerdem: der Busfahrer hört meist Musik – Samba, Reggae oder Morna – da hat es der Morgenblues schwer. Im Coworking ist man der erste, der Rest trudelt erst gegen 10 Uhr ein. Die Arbeit ist zwar die gleiche, aber auf bestimmte Entscheidungen kann man weniger Einfluss nehmen. Dafür ist man weit weg vom Büro-Gossip. Was jedoch einen Unterschied macht, ist, wenn der Bürohammer gefallen ist. Dann bewegt man sich nämlich erstmal in Richtung Strand und schwimmt eine Runde. Die Arbeit nimmt man aber trotzdem auch an den Strand mit. Abends essen gehen und chillen ist bei 28 Grad deutlich angenehmer als zu Hause um die Jahreszeit. Allerdings müssen die meisten Nachbarn früh nicht raus, d.h. ohne Ohropax wird es schwer in den Schlaf zu finden. Zumal wenn die Vorbereitungen für den Karneval auf Hochtouren laufen.

Am coolsten ist workation natürlich immer freitags nach Schichtschluss, wenn „work“ zu Ende ist und „ation“ anfängt. Da geht man dann nicht mit den Kids in den HartzIV-Zoo oder bei Regen und Kälte an den See, sondern fährt mit der Fähre übers Wochenende auf die Nachbarinsel. Spätestens aber am Montag muss wieder performed werden. Und das unabhängig davon, wo man ist. Das Grundproblem – berufliches Hamsterrad – bleibt.

Mit der Verlegung des Arbeitsortes geht jedoch eine gewisse sozialen Isolation einher. Man hat auf einmal mehr Zeit über sich, seinen Job und sein Leben nachdenken kann, als man das zu Hause normalerweise machen würde. Lästige Kindergeburtstage, komische Spielplatztalks oder unangenehmes Supermarktgedränge fallen weg. Aber zu viel nachdenken, ist auch nicht immer gut. Das kann zu unbequemen Einsichten führen, ist aber auch immer eine Chance. Oft geht die soziale Einsamkeit mit erhöhtem Alkoholverbrauch einher. Die hohen Temperaturen heizen das ganze sprichwörtlich noch zusätzlich an. Auf der anderen Seite bietet so ein Ortwechsel auch die Möglichkeit aus seinem „kulinarischen Hamsterrad“ (Müsli, Bratwurst, Stulle) auszusteigen. Allerdings besteht auch hier das „Risiko“ das einem auf einmal klar wird, wie gut oder sogar um einiges besser es einem auch ohne diesen Dreiklang gehen kann.

Und wenn man sich ein Land wie die Kapverden aussucht, in dem man „arbeitet, um zu leben“ hat man gute Chancen von dem Arbeitsaufenthalt auch dauerhaft etwas mit nach Hause mitzunehmen. Von mir gibt es auf jeden Fall ein: Go!