Mein liebes Tagebuch,
heute möchte ich Dir von meiner Reise in ein Land berichten, dessen Name sich von seinen schneebedeckten Bergen ableitet. Das ist nämlich etwas ganz Besonderes in einer Region, die nur wenig Regen kennt und deshalb sehr trocken ist. Für viele Menschen ist dieses Land mit seinen hohen Bergen gleichbedeutend mit dem Paradies, in dem die Wiesen grün und saftig sind. Denn das Wasser lässt alles Gedeihen, die Natur erblühen und die Ernten üppig ausfallen. Und das in einer Gegend, die von Halbwüsten und Wüsten geprägt ist.
Genau aus diesem Grund streiten sich aber die Menschen, um dieses Land, um diese Berge und um die reichen Erträge der Felder. Dieser Streit hat dazu geführt, dass von dem Paradies nicht mehr viel übrig ist. Es hat mich traurig gemacht, liebes Tagebuch, zu sehen, wie junge Menschen sich auf eine gefährliche Überfahrt übers Meer in kleinen Booten begeben, um dem Paradies zu entkommen. Wo hat man das schon erlebt?
Statt sich den Reichtum zu teilen und in Frieden zu leben, möchten manche Menschen immer mehr besitzen und bekämpfen die anderen, die auch etwas vom Baklava abhaben wollen. Dabei war das Land lange ein Vorbild für viele. Nirgendwo sonst lebten so viele verschiedene Kulturen und Weltanschauungen auf so kleinem Raum friedlich zusammen und schufen bis heute unfassbare kulturelle Schätze. Viele davon – so zum Beispiel die Schrift, die diesen Text erst möglich macht- finden wir noch heute in unserem Alltag wieder. Die Vielfalt und dessen Erbe ist in Gefahr, weil die Menschen vergessen, woher Sie kommen, was sie besonders macht, ja sogar – was wichtig ist – was das Leben lebenswert macht. Das Land mit den schneebedeckten Bergen lebt von seiner Vergangenheit. Jedoch müssen die Bäume wieder verschnitten, die Felder wieder bestellt und das Wissen darum weitergegeben werden, sonst hat man nichts mehr, von dem man leben, zehren kann. Arbeit ist notwendig, gemeinsame Arbeit am kulturellen Erbe.
An manchen Ecken sieht man noch das alte multikulturelle Erbe des Landes, manche Alten erzählen noch von den goldenen Zeiten als ein Shi’it eine Christin heiraten konnte. Aber was passiert, wenn die alle nicht mehr leben? Wenn nur noch Shi’iten Shi’itinnen heiraten und Katholiken Katholikinnen? Wo Ignoranz und Engstirnigkeit regieren, ist oft kein Platz für Neues, für Gemeinsames. Und ohne Austausch verblühen Kultur und Künste, das Kreative, das Waghalsige und der Mut.
Aber auf jeden Winter folgt auch wieder ein Frühling und den hat das Land in seiner Geschichte oft genug erlebt. Hoffen wir, dass die Menschen sich ihres kulturellen Erbes und somit ihrer Verantwortung auch uns gegenüber besinnen und diese Zeit der Gier und des Egoismus hinter sich lassen. Es wäre ein wichtiges Zeichen für die Menschen in der ganzen Welt, in einer Zeit die zunehmend von Dünkelhaftigkeit, Überheblichkeit und Mittelmäßigkeit geprägt ist, dass eine andere, buntere und solidarischere Welt möglich ist.
Dafür lasst uns reisen!
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