Die Kotztüte. Obwohl von den meisten nie richtig wahrgenommen, verkörpert Sie doch wie kaum ein anderer Gegenstand die Widersprüche und Paradoxa der global agierenden Luftfahrtindustrie, ja sogar der Moderne an sich.
Als Symbol des neuzeitlichen Phänomens des Fliegens, ist Sie untrennbar mit den weltumspannenden Flugrouten und den dahinter stehenden Fluggesellschaften verbunden, die das Herz der globalisierten Welt am schlagen halten. Täglich gehen weltweit tausende Flüge, ohne die die global vernetze Welt gar nicht mehr in der jetzigen Form denkbar wäre. Eyjafjallajökull hat das deutlich gemacht. Und bei allen diesen millionenfachen Flugbewegungen ist Sie immer mit dabei, ob man nun in Asien, Lateinamerika oder Zentralafrika unterwegs ist.
Dieser stumme Zeuge führt uns anhand Ihres großen Reichtums an Layout und Form immer wieder vor Augen, dass die vermeintlich als Vehikel der weltweiten Homogenisierung angesehenen Flugrouten und der darüber sich bewegenden dominanten Paradigma, in Ihrem „Inneren“ den Keim der Vielfalt tragen, ja man könnte soweit gehen, die Kotztüte als das trojanische Pferd der menschlichen Kreativität in der Welt der kapitalistischen Verwertungslogik zu sehen.
Sie erinnert uns auf jedem Flug, in welchem Erdteil wir auch gerade unterwegs sind, wie bunt und verschieden doch die vermeintlich banalsten, meist gar nicht beachteten Dinge des Lebens in einer Welt zunehmend austauschbar werdender Nicht-Orte sein können.
Ein weiterer wichtiger Aspekt im Dasein der Kotztüte ist Ihr ständiger Reminder an uns, dass technischer Fortschritt immer noch und wahrscheinlich auch noch ein naher Zukunft nur im Rahmen der menschlichen Physiologie, der natürlichen Grenzen unseres Organismus möglich ist. Diese antagonistische Beziehung symbolisiert die Kotztüte auf sehr anschauliche Weise. Wie sehr sich die zivile Luftfahrt auch in knapp 100 Jahren verändert haben mag, eines ist bis heute unverändert geblieben, das Angewiesensein des Menschen auf eine kleine Papiertüte. Dessen werden wir uns spätestens bei ungünstigstem Wetter oder technischen Problemen während eines Fluges immer wieder gewahr.
Aus diesen beiden, durchaus als existenziell zu bezeichnenden Gründen möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die folgenden hier ausgestellten Kotztüten lenken. Auf der einen Seite erinnern Sie uns an unsere körperlichen Grenzen, andererseits geben sie uns Hoffnung, in dem sie illustrieren, welche bunten, mannigfaltigen und formschönen Dinge doch die menschliche Kreativität zu schaffen in der Lage ist.
