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Auf der Suche nach dem Herz der Finsternis

Tim Butchers „The blood river: A journey to Africa’s broken heart“

Das in Form einer Reisereportage gehaltene Buch beschreibt die Reise des Autors im Jahre 2007 durch die Demokratische Republik Kongo (DR Kongo). Als roter Faden dient dabei die Durchquerung Zentralafrikas durch Stanleys in den Jahren 1874-77, auf dessen Route der Autor reist. Als weiterer jedoch persönlich-historischer Bezug erweist sich die Reise der Mutter Ende der 1950er Jahre durch die selbe Region als hilfreich.

Nach jahrelangen Recherchen nutzt, der in Südafrika lebende Autor den fragilen Frieden, der in Kinshasa zwischen den Konfliktparteien aushandelt wurde und fliegt nach Lumbumbashi. Von hier aus fliegt er mit einem UN-Flug nach Kalemie, dem zu belgischen Zeiten als „Perle des Tanganijika-Sees“ bekannten Ort. Genau durch diesen Ort kam auch Stanley vor mehr als hundert Jahren auf seiner Reise bis an die Mündung des Kongo-Flusses.

Von hier aus nutzt der Autor die ihm angebotene Hilfe einer vor Ort operierenden Nichtregierungs-organisation und fährt als Sozius auf einem Moped bis nach Kasongo, einer in der Nähe des Kongo-Flusses gelegenen Stadt. Unterwegs beschreibt er wie arm und ausgehungert, für wie wenig Geld die Menschen hier arbeiten. Immer wieder setzt er das Erlebte in Relation zu den Berichten Stanleys. Zwei Grundaussagen lassen sich dabei immer wieder im gesamten Buch finden; zum einen war früher, hier vor allem während der belgischen Zeit, alles moderner und weiter entwickelt. Es gab Züge, ein funktionierendes Verkehrsnetz, Krankenhäuser, Schulen etc.; andererseits, dass das Land heute das gefährlichste der Welt sei und die Menschen aus Angst vor Milizen in den Wäldern wohnen. Niemand und nichts ist sicher. Und er mittendrin.

Von Kasongo aus fährt er dann weiter mit einem Patrouillenboot der UN den Fluss hinab bis an die Stanley-Fälle. Von Kisangani geht es dann wiederum mit einem UN- Boot bis Mbandaka, von wo aus er mit einem UN- Helikopter bis nach Kinshasa weiterreist. Hier wohnt er in einer Luxusvilla direkt am Kongo-Fluss. Je weiter die Reise fortschreitet, desto weniger setzt er das Erlebte in Relation zu den Erzählungen Stanleys. Gleichzeitig nehmen aber die Passagen „wie-konnte-das-nur-so-weit-kommen-mit-Afrika“ zu.

Am Ende bleibt das Gefühl, das hier jemand durch eine Region reist, von der er absolut keine Ahnung hat. Er schreckt vor dem Kontakt zu Einheimischen zurück, da es ja betrunkene Milizionäre sein könnten. Er reist quasi auf Kosten der UN durch den Ostkongo und verkauft uns das als Abenteuer. An vielen Stellen hat mich das Buch an Tagebucheinträge von Pauschaltouristen erinnert. „Das Essen ist heute schon wieder sehr eintönig, das Hotel voller Geziefer…“. Teilweise ist es schon grotesk zu lesen, wie der Mann sich beschwert und sich in sein weißes Südafrika zurücksehnt. Oft wird man den Gedanken nicht los, dass der Autor die Route wählt, um seine Clichés von Zentralafrika bestätigt zu bekommen.

Was bleibt ist ein Buch, das ein paar interessante Fakten offenlegt, jedoch mit ca. 350 Seiten viel zu umfangreich ausgefallen ist. Die wohl spannendste Erkenntnis ist, dass, getreu nach E.Said, der Leser sehr viel über die Vorurteile in Bezug auf Zentralafrika des Autors, einem britischen Journalisten erfährt.

Tim Butcher: „Blood River: A journey to Africas broken heart“. Vintage books, London 2008. 363 S., ab 6,90 €.