Reiseberichte

Zu Fuß von Chemnitz nach Leipzig

Karl-Marx-Kopf in Chemnitz
Karl-Marx-Kopf in Chemnitz

Am Pfingstwochenende war es endlich soweit. Das Zeitfenster war sperrangelweit offen. Die Sonne lachte. Ich freute mich richtig darauf endlich mal die Schnapsidee, nämlich eine längere Strecke zwischen zwei Großstädten in Deutschland zu Fuß zurückzulegen, in die Tat umzusetzen.

Nach einer kurzen Nacht ging es gegen 14 Uhr in Chemnitz in der Innenstadt los. Drei Häuserecken weiter war das erste Pflaster bereits verklebt. Waren die neuen Trekkingsandalen das richtige Schuhwerk? Auf dem Chemnitztalweg gab ich Gas. Die Meter rauschten nur so an mir vorbei. Der asphaltierte Weg wich einem von Bäumen bewachsenen Feldweg, der so gar nicht mehr gerade aus führen wollte. Die Sonne brannte. Ich begann die ersten Motive fotografisch festzuhalten. Nach gut 20km und der ersten Blase dann die Entscheidung, Sandalen aus und Socken und feste Schuhe anziehen. Gegen 19.30 Uhr überquerte ich mittlerweile ziemlich fertig mit dem Tag, die Zwickauer Mulde bei Göhren am gleichnamigen Eisenbahnviadukt. Meinen Plan draußen zu schlafen, gab ich in Anbetracht des schwarzen Himmels leicht panisch auf und mietete mich in der Pension „Staude“ in Altzschillen ein. Kaum war ich im Haus verschwunden, öffneten sich die Himmelsschleusen. Auf dem Zimmer dann das Resümee des Tages; Eine große Blase am Fußballen, zwei extrem schmerzende Fersen. Erstmalig kamen mir Zweifel, ob es ich jemals zu Fuß nach Leipzig schaffen würde.

Eisenbahnviadukt über die Zwickauer Mulde bei Göhren
Eisenbahnviadukt über die Zwickauer Mulde bei Göhren

Am nächten Morgen ging es frisch gestärkt und schräg beäugt bei 10 Grad weniger um 9 Uhr weiter. Ossa, Syhra, Röda, Greifenhain, Nenkersdorf, Schönau, die Orte flogen nur so an mir vorbei. Straße wechselte sich mit Feldweg, Feldweg mit Straße ab. Es lief. Die Leute grüßten, waren neugierig und halfen gern weiter, dann meine Fahrradwanderkarte gab nicht alle Geheimnisse einfach so preis. Am späten Nachmittag merkte ich aber plötzlich, wer hätte das gedacht, meine Füße! Die waren richtiggehend taub, alles tat weh. Mein Ziel Leipzig zu erreichen rückte in weite Ferne. Die Pausen wurden plötzlich häufiger und länger. Ich freute mich auf Espenhain, wie wahrscheinlich schon lange keiner mehr vor oder nach mir. Um 20 Uhr war ich endlich da. Die einzige Pension war jedoch bereits zu.Also nochmal 4km weiter bis Röda. Die Schmerzen waren kaum noch auszuhalten. Ich erwischte mich dabei, wie ich den Busfahrplan studierte. Halb zehn in Röda, die DDR Pension war natürlich ebenfalls zu. Ich rief eine Handynummer an und befand mich 10min später in der Horizontalen.

Fazit des 2. Tages: Zwölf Stunden mit einigen Pausen sollte man definitiv nicht laufen, auf beiden Waden ließ sich eine Rotfärbung nicht mehr leugnen. Das Gesicht sah ähnlich aus. Jürgen Prochnow und seine U-Bootbesatzung halfen mir in den Schlaf.

Krafwerk Leukersdorf bei Röda
Krafwerk Leukersdorf bei Röda

Dritter und hoffentlich letzter Tag. Noch 20km, die Namen der Orte kamen mir schon bekannter vor. Böhlen, Gaschwitz, Großdeuben, Markkleeberg. Nach nur ein paar Kilometern war der Erholungseffekt der letzten Nacht für meine beiden Mitstreiter am jeweiligen Beinende wie weggeblasen. Der Schmerz regierte und das fürchterlich und ohne Milde. Jeder Meter würde zu Qual. Erschwerend kam hinzu, dass der letzte Abschnitt ausnahmslos asphaltiert war. Ich träumte von weichen Waldboden.

Um 13 Uhr hatte die Wanderung ein Ende. Wie ein 90jähriger schleppte ich mich die letzten Meter nach Hause. Ich hatte es geschafft. Ich war in Leipzig angekommen, hatte dabei aber meine Fähigkeit zu gehen eingebüßt. Es dauerte drei volle Tage bis ich wieder halbwegs schmerzfrei meine Füße bewegen konnte. En conclusion, besseres Schuhwerk und entsprechender Sonnenschutz wären sicherlich sehr hilfreich gewesen. Nach 21 Stunden reiner Laufzeit für etwa 85 Kilometer muss ich sagen: ich bin erst einmal genug gelaufen.

Bockwitzer See bei Borna
Bockwitzer See bei Borna
FFW Köhtensdorf
FFW Köhtensdorf