Afrika Ränder der Globalisierung Reiseberichte

„Zu Besuch im Paradies“

reichverzierte Türen im omanischen Stil
reichverzierte Türen im omanischen Stil

So oder so ähnlich muss der Titel eines Reiseberichtes lauten, der von Lamu, einer kleinen Insel und gleichnamigen Stadt im Nordosten Kenias am Indischen Ozean, nicht weit von der somalischen Grenze, handelt. Als einer der ältesten bewohnten Orte an der afrikanischen Ostküste und einer der Hauptorte der Swahili-Kultur verfügt Lamu über alle Zutaten, um in der Liga der paradiesischen Orte mitspielen zu können. Zugegeben, kaum ein Reiseblog kommt heute noch bei Reisebeschreibungen ohne Superlative aus. Aber gerade dieser Umstand zeugt doch erst von deren fehlendem „Tiefgang“. Den genau darin unterscheiden sich doch die Kleinode, Refugien und Paradiese dieser Welt von den Parvenus auf der globalen Tourismuskarte.

Und Lamu ist genau so ein Ort, der sehr gut ohne außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten und ständig neue Attraktionen auskommt, weil genau das Gewöhnliche, das Alltägliche den Ort so faszinierend und bleibenswert macht.

die Dächer von Lamu
die Dächer von Lamu

Die etwa 25000 Einwohner und 6000 Esel zählende Hafenstadt mit ihren weißen, meist aus Korallen erbauten Häusern kann auf eine lange Geschichte des Handels mit Indien, der Arabischen Halbinsel und dem Afrikanischen Hinterland verweisen. Die indischen und omanischen Händler kamen mit dem Monsun und brachten neben vielerlei Waren auch ihre Religionen, Ideen, Sprachen und kulturellen Gepflogenheiten mit. Die daraus entstandene Swahili-Kultur prägt bis heute die Menschen der Stadt.

Allein schon ein Blick in die Kochtöpfe der vielen kleinen Garküchen zeugt von der reichen Geschichte und den vielen verschiedenen Einflüssen. Gerichte wie Pilau, Biriyani, Kokos-Papaya-Nudeln, Mithai oder Furaha sind alle im sprichwörtlichen Schmelztiegel der Kulturen entstanden. Kokos, Nelken, Ingwer, Zimt, Kardamon und Pfeffer gehören heute zur Grundausstattung der Swahili-Küche und verleihen ihr ihre für uns ungewöhnlichen Geschmäcker. Wer mehr zu diesem Thema wissen möchte und ein paar passende Rezepte sucht, der sei auf den Swahili-Food-Blog www.tumbosijito.de verwiesen.

Markt mit alterm Fort
Markt mit alterm Fort

Vor allem aber die hier lebenden Menschen machen die Faszination des Ortes aus. Da wäre zum Beispiel Hussein mit seiner traditionellen Kopfbedeckung, der Kofiye, der in Khartoum ein Stipendium an der Uni bekommen hat und gerade in den Semesterferien im familiengeführten Restaurant aushilft. Oder Issiah, der, vor 30 Jahren eine Zeitlang in Deutschland gearbeitet hat, heute einen kleinen Laden betreibt, wo er aus alten Flip-Flops Kunstwerke herstellt. Was wäre jedoch Lamu ohne Wallaba, der jeden Tag ab 16:30 am Hafen an seinen kleinen Stand seiner Kundschaft selbst hergestelltes süßes Gebäck mit schwarzem Mokka oder Qahwe tamu, süßen Kaffee serviert. Was gibt es schöneres als bei Kaffee und Gebäck das Defilee der Menschen an der Uferpromenade und das Entladen der Dhows zu beobachten und mit den offenen und freundlichen Leuten ins Gespräch zu kommen.

Im Gassenwirrwarr
Im Gassenwirrwarr

Eine weitere wichtige Zutat ist das Setting in dem Lamu eingebettet ist. Die Stadt mit ihren zum Teil nur eselsbreiten Gassen kennt keine Autos. Alle Waren müssen mit Eseln oder von Hand bewegt werden. Ein Teil der weißen Handelshäuser dienen heute als Unterkünfte für Gäste. Hohe, offene Terrassen fangen die vom Meer kommenden leichten Prisen ein und sorgen für die notwendige Kühle während der Tageshitze. Die mittägliche Ruhe wird nur von den Rufen der Muezzine, den Schreien der Esel und den Schulkindern auf Ihrem Weg nach Hause unterbrochen.

Und wer Baden gehen möchte, dem seien die leeren, breiten Sandstrände bei Shela, einem ehemaligen kleinen Fischerort, der nun über mehr Hotels als Fischer verfügt, empfohlen, Per pedes erreicht man den Ort in Abhängigkeit von den Gezeiten in 30-40 min.

Ich muss an der Stelle zugeben, dass mich schon lange nicht mehr ein Ort so fasziniert, so begeistert hat. Das liegt sicherlich an den vorgenannten Zutaten, die die Insel und deren Orte zu einem paradiesischen Flecken Erde machen. Vor allem aber ist es das Unprätentiöse, die Leichtigkeit, die Ruhe und Gelassenheit der Menschen, die Lamu zu einem reizvollen Ort machen. Und wie so oft sind die Hafenstädte, die Orte an denen Offenheit, Toleranz und Neugierde über Jahrhunderte gewachsen und im Alltag fest verwurzelt sind.

Es gibt kaum einen besseren Ort um ein paar Tage oder auch Wochen sich den warmen Wind des Indischen Ozeans über die Haut streichen zu lassen, dabei ein gutes Buch zu lesen und abends eine Portion frisch gegrillten Fisch mit Pilau zu essen. Aber bitte, liebe Leserin, lieber Leser, behalten Sie das am besten für sich!