Afrika Ränder der Globalisierung Reiseberichte

Toubus, Tibesti und Toyota

Le Tchad est dur“ ist immer wieder der gleiche Satz, den man als Neuankömmling zu hören bekommt. Nur was ist genau damit gemeint?

Die Sicherheitslage ist seit Jahrzehnten angespannt und je weiter man die Hauptstadt N’Djamena hinter sich lässt, desto mehr hat den Eindruck, dass die Einheimischen Ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Das ist vor allem im Norden des Landes im entlegensten Gebirge der Welt – dem Tibesti – spürbar. Hier an der Grenze zu Libyen und Niger kommt man nicht eben mal vorbei. Sieben lange, mühsame Tage braucht der risikofreudige Reisende von der Hauptstadt durch die Sahelzone bis an den Fuß der Berge.

Die hier lebenden Toubu, in manchen Büchern auch als Felsenmenschen bezeichnet (wie man wohl die Menschen aus Ostsachsen nennt?), haben sich außerordentlich gut an das karge Leben in den Bergen vulkanischen Ursprungs angepasst. Auf einer Fläche zweimal so groß wie der Schweiz leben etwa 15000 Menschen.

Ounianga-Seen
Ounianga-Seen

Als nachweislich erste Langnase besuchte Gustav Nachtigal, unser Mann aus der Altmark, die Region um 1870 und kam nur knapp mit dem Leben davon. Auch die französischen Kolonialherren bekamen die Gegend nicht vor 1930 in den Griff. Seit der Unabhängigkeit bzw. seit Beginn des Bürgerkrieges Ende der 1960 Jahre kannten die Menschen nur zwei kurze Phasen des Friedens. Gegenwärtig wird seitens des Auswärtigen Amtes vor Reisen in die Region dringend gewarnt. Hinzu kommt, dass die Regierung erst kürzlich des Ausnahmezustand verhängt hat, was nicht unbedingt den Reisenden beruhigt. Genauso aber sehen die lokalen Behörden diese Maßnahme. Sie soll dazu dienen die Sicherheit der Reisenden noch weiter zu verbessern. Andere Länder, andere Denken.

Wer nun als Flashpacker auf der Suche nach den uploadbaren Fotozeugnissen ist, der wird schnell enttäuscht. Einzig das Trou de Natron und die weltweit einzigartigen Ounianga-Seen bieten etwas „Herzeigbares“. Dafür gibt es unendlich viel Landschaft zu sehen. Unterschiedlichste Sandformationen, das komplette Sandfarbspektrum von weiß bis orange, endlose Lavafelder, Calderen von bis zu 20km im Durchmesser und Felsformationen, die die Sächsische Schweiz wie das Kleinerzgebirge in Oederan wirken lassen.

No...Fucking Body
No…Fucking Body

Und ja, es gibt auch Einwohner, eben genannte Toubus und Toubu*innen, die man jedoch nur in den größeren Orten Zouar, Bardai und Gouro antrifft. Schon vor längerem hat der gemeine Toubu, der etwas von sich hält, das Kamel gegen einen Toyota Pick-up eingetauscht, welches nicht selten durch ein auf dem Führerhaus montiertes Maschinengewehr modifiziert wurde. Ein weiteres Feature sind die in Köchern mitgeführten Panzerfäuste. Man weiß ja nie, wer noch so unterwegs ist. Bis heute herrscht das Gesetz der Diya, der Blutrache. Ein getöteter Familien- oder Clanangehöriger muss entweder finanziell entschädigt oder gerächt werden. Eine Tatsache, die nicht unbedingt zu Beruhigung der Gemüter in der Gegend beiträgt. Als Reisender kommt man damit jedoch nicht in Berührung.

Was das Reiseland Tschad besonders macht, ist die schlechte, meist jedoch gar nicht erst vorhandene Infrastruktur. Bei Reisen über Land muss sämtliches Wasser, Diesel und Essen mitgenommen werden. Der Zukauf von Lebensmitteln ist nicht immer möglich. Einzig die Verpflegung in Form von lebenden Ziegen bietet in der sonst ziemlich einfachen Expeditionsküche eine willkommene Abwechslung.

Hinzu kommt, dass die großen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht, vor allem in den Bergen an die Substanz gehen. Ein oft sehr stark wehender Harmattan lässt den Körper nicht zur Ruhe kommen. Nach ein paar Woche on the road versteht man die meiner Kenntnis nach nur im Tschad gestellte Frage: Et la fatique, ca va?

Belohnt wird man, so man es denn überhaupt bis zurück in die Hauptstadt schafft, mit Erlebnissen plutot meditativer Art. Ein tagelang unverstellter Blick bis zum Horizont, jeden Abend Lagerfeuer unterm Sternenzelt und, für mich persönlich wichtig, kein Kontakt zur Außenwelt.

Corona? WTF!

Je länger man aber bleibt desto schwieriger wird es mit der Wiedereingewöhnung. Getreu der Erkenntnis, das nicht das Losfahren schwer ist, sondern das Zurückkommen. Dann wiederum stellt sich die Frage was plus dur ist? Eine Reise im Tschad oder vielleicht eher die Rückkehr nach Hause!?