Mitfahrgelegenheit Reiseberichte

Neulich in der Mitfahrgelegenheit…

passierte es endlich. Ich traf Christoph*, einen jungen Endzwanziger, der seiner Mundart nach aus dem Berliner Raum stammte. Hagerer Typ, nervöse Natur, verschmitzter Gesichtsausdruck. Auf meine Frage hin, was er denn in Chemnitz beabsichtigte zu tun, meinte er nur „…den Bahnhof anschauen.“ Wie nur den Bahnhof anschauen? Im weiteren Gespräch stellte sich dann heraus, dass er schon früh am Morgen in Berlin gestartet war, über Leipzig nach Dresden und zurück nach Leipzig gefahren war. Nun fuhr er halt gerade von Leipzig nach Chemnitz. Die fünfzig Euro, die er im Schnitt an so einem Tag verdient, sind kein guter Lohn, wenn man bedenkt, welche logistische Leistung der Mann vollbringt. Die Reise muss genau geplant, alles im Netz eingestellt und mit allen ein Treffpunkt vereinbart werden. Leipzig, 16 Grad, das Smartphone glüht.

Nach unserem einstündigen Gespräch auf der Fahrt in das ehemalige sächsische Manchester entpuppte sich Christoph jedoch zunehmend als ein aufgeweckter junger Mann mit leicht autistsichen Zügen. Er kannte u.a. alle jemals seit der Wende eingesetzten Zugtypen, sämtliche Verbindungen zwischen Berlin und München, die einzelnen Regionalverbunde und ihre Ticketpreise. Ein richtiger „Bahni“. Am Ende hatte er wahrscheinlich gar nicht gelogen, als er behauptete er wolle nur nach Chemnitz sich die Bahnhofsumbauarbeiten anzusehen. Fast zu beneiden der Mann, der für sein Hobby schon mal kein Geld ausgeben muss.

*Name vom Verfasser geändert