Durch den wilden Osten Kambodschas

Südlich vom sogenannten Russenmarkt in Phnom Penh (PP), dem Phsar Toul Tom Poung sollte er wohnen. Also hielten wir ein Motorradtaxi an und machten uns auf den Weg. Am Markt angekommen, baten wir den Fahrer Ihn anzurufen. Sie sprachen Khmer am Telefon. Es ging weiter stadtauswärts, weiter hinaus in die ärmeren Viertel der Hauptstadt Kambodschas. Vor einem Tempel hielt der Fahrer und wir stiegen ab. Der Fahrer telefonierte abermals. Kurze Zeit später kam er auf einer 250er XR Honda mit freiem Oberkörper, sich durch den dichten Verkehr schlängelnd auf uns zugebraust. An seinem Oberarm hatte er eine große Brandwunde, sein kleiner Finger war bandagiert, auf dem Gesicht ein verschmitztes Lächeln. Er war es, ohne Zweifel. Wir hatten unseren Guide für die nächste Woche beginnende Motorradtour durch Kambodscha gefunden.

Horst wie ihn seine Freunde nennen, ist 33 und aus Ladeleul bei Lesden. Nachdem wir noch etwas Booze eingekauft haben, sitzen wir auch schon bei ihm zu Hause. Wir machen es uns zwischen seinen Motorrädern im Erdgeschoss des Hauses bequem. Im ersten Stock wohnt er, im Erdgeschoss wird geschraubt. Während wir den ersten Schnaps trinken, erzählt er uns, dass er bereits seit sieben Jahren hier lebt. Er erzählt wie die Menschen so ticken, wie sie drauf sind, was sie bewegt, wie sie leben. Horst spricht Khmer. Stunden später laufen wir durch das nächtliche PP auf dem Weg in unser Hostel, niemand ist auf der Straße. Wir fühlen uns sicher.

Zwei Tage später geht unsere Motorradtour endlich los. Diesmal hat jeder von uns eine 250er Honda XR unterm Hintern. Wir, Gerd, Horst und ich, sind auf dem Weg Richtung Mondulkiri, in den Osten Kambodschas, der Grenzregion zu Vietnam. Eine halbe Stunde brauchen wir bis wir die Hauptstadt hinter uns gelassen haben. Wir erfahren, das es am besten ist, die Fahrzeuge rechts zu überholen. Wir fahren auf der Nationalstraße 7 Richtung Kampong Cham, wo wir eine Tankfüllung später den Mekong auf einer der wenigen Brücken in Kambodscha überqueren. Der Verkehr wird immer lichter. Trockene, braune Reisefelder, unterbrochen von Palmen säumen die Landschaft.

Es ist Ende April, Ende der Trockenzeit. Die Luft ist heiß und staubig. Der Fahrtwind kühlt kaum. Hinter der Ortschaft Snuol ändert sich die Landschaft. Wir fahren durch bewaldete Gegend. Überall sieht man die Brandrodungen der Bauern, die neu errichteten Häuser, die vielen Kinder, die nicht müde werden uns zu zuwinken. Die Straße ist eben erst fertig gestellt worden. Früher hat man zwei Tage in der Trockenzeit bis Sen Monorum, dem regionalen Zentrum der Region Mondulkiri gebraucht. Heute schafft man es heute in 6-8 Stunden. In der Regenzeit war der Ort früher gar nicht erreichbar. Die letzten 60km geht es dann bergauf und bergab. Am Abend erreichen wir endlich, nach 370 Straßenkilometern unseren Übernachtungsort die Nature Lodge in Sen Monorum.

Die Region Mondulkiri war früher einmal sehr dicht bewaldet. Seit dem Aufstieg Chinas zur regionalen Großmacht, kann man faktisch zusehen, wie die Wälder im Zeitraffer verschwinden. Oft über Nacht verflüchtigen sich Fußballfeld große Waldstücke, so das Horst, unser Guide, manchmal Probleme mit der Orientierung hat. Und das obwohl er jede zweite Woche hier hoch in die Berge kommt. Die Temperaturen sind tagsüber sehr angenehm, nachts ist es fast sogar ein wenig kühl. Ein Umstand der viele Expats aus der schwülheißen Hauptstadt am Wochenende hier herauf kommen lässt. Die Gegend wird von einigen wenigen Bergvölkern bewohnt. Die Phnong stellen dabei die größte Gruppe. Diese sind mehrheitlich Animisten und wohnen in Häusern, deren Baustil für diese Region eigen ist. Bekannt geworden sind sie vor allem durch das Zähmen von Elefanten zum Zwecke des Transports u.a. von Baumstämmen.

In den nächsten Tagen dient uns die Lodge als idealer Ausgangspunkt für unsere Tagestouren. Die für Anfänger zum Teil schon sehr anspruchsvollen Etappen führen uns durch verschiedenste Landschaften. Einmal quer durch dichten Wald auf single tracks, dann wieder über kürzlich gerodetes Terrain, durch kleine und größere Dörfer, zu entlegenen Wasserfällen oder in illegale Goldgräberorte. Entsprechend vielgestaltig zeigt sich der zu befahrene Untergrund. Großen Steinblöcke, lange Schlammpassagen, Flussquerungen und zu schmale Waldwege forderten alles von Mensch und Maschine ab. Tolle Standartfloskel! Oder doch nicht?

Gerd verliert bereits am dritten Tag an einer vermeintlich leichten Stelle die Kontrolle über sein Motorrad und prallt gegen einen Baum, fast. Zum Glück bricht er sich bei seinem Sturz auf einen Stein nur die Hand. Und das Ganze mitten im Wald, 50km bis zur nächsten Siedlung. Da heißt es drei Ibuprofen rein, kurz Sammeln und weiter. Abends genießen wir dann wieder bei mashed potatos und Steak die Vorzüge der Zivilisation. Von dem frischen Lassi und den chocolate cake will ich gar nicht erst reden.

Entlang der alten Kings- und über 70km rallyetaugliche Gravelroad erreichen wir am Tag 4 den äußerst beschaulichen und friedvollen Ort Chlong am Mekong, welcher früher der französischen Kolonialmacht als Umschlagplatz für den Warentransport in Richtung Norden, nach Laos diente. Ein paar wenige, dem Verfall preisgegebene Häuser im Stil der 1920er Jahre zeugen von diesem Erbe. Als wir im Hotel ankommen, vernehmen wir das Singen der Mönche im nahe gelegenen Kloster. Im monotonen Rhythmus der Klosterglocken entschlummert friedlich der Reiseteilnehmer Hans Günther.

Kaum haben wir am nächsten Morgen unser tägliches Frühstück, bestehend aus Eiskaffee und Nudelsuppe beendet, mahnt uns Horst zur Eile, wollen wir doch am heutigen letzten Tag der Reise noch bis nach Phom Penh zurück. Von Rive gauche aus queren wir mittels abenteuerlicher Fähre den Mekong nach rive droite, der wir dann bis PP folgen. Kaum hatten wir Kampong Cham hinter uns gelassen, tauchen unvermittelt in den Dörfern entlang des großen Flusses Moscheen auf. Die meisten davon neueren Datums. Oft wenig ansehnlich. Es handelte sich dabei um Ortschaften der Minderheit der Cham, die sich hier seit dem Zerfalls Ihres Königreiches Anfang des 18.Jh. mit Ihrem König niedergelassen hat. Die Cham sind größtenteils Muslime, ein Grund für die Khmer Rouge sie zu Tausenden hinzurichten. Heute gibt es vor allem im Mekongdelta, in Malaysia und auf Hainan (China) größere Siedlungsgebiete der Cham. Übrigens: Kampong Cham hat daher seinen Namen.

An einer Biegung des Mekong, inmitten ausgedehnter Kautschukplantagen hielten wir unvermittelt an, um einen alten Freund von Horst zu treffen. Ein paar Treppenstufen abwärts, mit einem atemberaubenden Blick auf den Mekong, auf einem halbhohen Podest sitzend, empfängt uns der verrückte Mönch. Der in Tigerimitat gehüllte Geistliche lebt hier seit vielen Jahrzehnten und hat selbst die Herrschaft der Maoisten überlebt, in dem er sich als Verrückter ausgab. In einer horizontalen Felsspalte hinter ihm befindet sich ein Schrein, an dem wir einen Maler treffen, der nach zweijähriger Tätigkeit nun endlich ein Bild Buddhas fertig gestellt hat. Als ich es sehe, kann ich mich dem Gedanken nicht erwehren, dass der gute Mann wahrscheinlich nicht immer nur gemalt hat. Wir bedanken uns für die Audienz und verschwinden wieder wo wirhergekommen sind, in den Tiefen der Rubberplantagen.

Nach einem weiteren Sturz des Reiseteilnehmers Gerd kurze Zeit später müssen wir einen längeren Reparaturstopp einlegen, um das völlig lädierte Motorrad wieder fit zu bekommen. Ein willkommener Anlass für die lokale Bevölkerung für die Zeit unserer Reparatur alles stehen und liegen zu lassen. Von der nunmehr zur Fußballhandschuhgröße angewachsenen Hand Gerds wollen wir an der Stelle gar nicht erst sprechen. Im ersten Gang, ohne funktionierende Kupplung und mit plattem Hinterrad schwimmt Horst und wir im nicht enden wollenden Strom aus Mopeds durch das abendliche Phnom Penh. Szenen von Aerobic tanzenden, chinese dumplings essenden oder einfach am Mekong flanierenden, die Kühle des Abends nutzenden Khmer werden nur von einzelnen Wutausbrüchen Horsts „aus dem Weg du Affe“ unterbrochen. Schöne Welt.

Bei weiteren Infos bzw. Kontaktdaten schreiben Sie einfach eine Mail an info@tawahi.de.

http://www.naturelodgecambodia.com/view/view.htm