Afrika Reiseliteratur

Die Geheimnisse des Roten Meeres

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Es gibt Bücher und es gibt Bücher. Zu letzteren gehören jene, die man nicht mehr weglegen kann, weil die Story(ies) einen nicht mehr loslassen. Genau zu dieser, zugegeben sehr raren Sorte Bücher gehört der Titel „Les secrets de la mer rouge“ von Henry de Monfreid.

In Deutschland ist dieser Autor weit weniger bekannt, als in Frankreich, wo er viele Menschen zu Reisen inspiriert hat. Allen voran den letzten großen Abenteurer unserer Zeit Wilfried Thesiger, der in Addis Abeba lebend schon früh von seinen Reisen hörte. Sein Leben ist eine schier endlose Aneinanderreihung von außergewöhnlichen Erlebnissen, die der aus einem Künstlerelternhaus (Matisse und Gaugin waren oft zu Gast) stammende de Monfreid vor allem an den Küsten des Roten Meeres zwischen Eritrea und dem heutigen Somalia erlebt. Allerdings zu einer Zeit, in der im heutigen Jemen die Osmanen regierten und auf der anderen Seite der schmalen Meerenge des Bab El Mandab die Italiener, Franzosen und Briten das sagen hatten.

Er nimmt uns mit in die längst vergangenen 1910er Jahre, eine Zeit der kolonialen Fremdherrschaft, in der es mehr als ungewöhnlich war, sich mit den kolonialen Subjekten gemein zu machen, ja gar mit ihnen zu leben und Handel zu treiben. Mit seiner eigenen Dhau schmuggelt er Waffen aus den französischen Gebieten nach Abessinien oder an die arabische Küste in den Jemen. Auf seinen Fahrten bekommt man einen unverstellten Einblick in die Lebensweisen der einzelnen Völker am Roten Meer. Er macht Geschäfte mit den Afar, den Somali oder auch den Amharen, kämpft gegen die Zaraniq, die arabischen Seeräuber mit ihren legendären, weil schnellen Segelbooten. Er spricht fließend Arabisch und konvertiert später auch zum Islam und nimmt den Namen Abu Hai an. Erst mit dem Ende des 2. Weltkrieges kehrt er nach Frankreich zurück, um dort zu schreiben und vor allem zu malen.

Im Verlauf seines Lebens hat der begnadete Schriftsteller und Maler über 70 Bücher geschrieben. Das eingangs erwähnte Buch ist dabei sein erstes und meiner Meinung nach „Wildeste“.

Wer also einen historischen Einblick in die Ethnologie der Völker des Roten Meeres gepaart mit atemberaubenden Geschichten sucht, der kommt an de Monfreid nicht vorbei. Aber auch alle anderen, die „nur“ Abenteurergeschichten lesen wollen, trifft das gleiche Schicksal. Und wer darüber hinaus noch ein Faible für Segeln und Meer hat, der, so befürchte ich, wird danach nichts mehr besseres finden. Sagen Sie also nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.

De Monfreid, Henry: Die Geheimnisse des Roten Meeres. Unionsverlag Zürich. 2010. 297 Seiten.