Nachdem es mir über eine Woche nicht vergönnt war auch nur einen einzigen mickrigen Cent meiner Ausgaben selbst zu bestreiten, nahm ich am letzten Abend all meinen Mut zusammen – ich offenbarte meinen irakischen Gastgebern, dass ich, komme was da wolle, gewillt war, meine Mitreisenden zum Abschlussessen einzuladen. Die Reaktion lies nicht lange auf sich warten: lange Gesichter und betretenes Zum-Boden-Schauen. Mein Nachbar beugte sich leicht zu mir rüber und flüsterte mir ins Ohr: „That is an insult.“
Ich trat also den Rückzug an und ließ das Thema nonchalant unter den Tisch fallen. Und da sage nochmal einer Geld ausgeben, wäre eine der einfachsten Dinge der Welt. Weit gefehlt. Zumindest im Irak im Jahr 2024.
Wer im Tourismus sein Geld verdient, ist immer wieder mit dem sujet der Gastfreundschaft konfrontiert. Wenn es keine UNESCO-Welterbestätten gibt, so lässt sich zumindest die Gastfreundschaft der Menschen hervorheben. Gastfreundschaft geht immer. Fast. Und wer schon einmal das Privileg hatte, verschiedene Kontinente bereisen zu dürfen, dem ist vermutlich aufgefallen, dass Gastfreundschaft nicht gleich Gastfreundschaft ist. Als Westeuropäer ist man, wenn man es denn realisiert, oft geradezu beschämt, wenn man freizügig von Menschen eingeladen wird, die mit sehr weniger auskommen müssen als wir. Wo kommt eigentlich die Gastfreundschaft her? Wer hat sie erfunden? Wozu dient(e) sie?
Meine irakischen Mitreisenden hatten darauf eine klare Antwort: Die Gastfreundschaft wäre im Irak oder besser gesagt von den Sumerern im Zweistromland erfunden worden. Sicher, den Menschen in Mesopotamien haben wir eine ganze Menge sehr hilfreicher Erfindungen zu verdanken. Man denke nur an das Rad, die Schrift, die Landwirtschaft und das städtische Leben. Und jetzt auch noch die Gastfreundschaft?
Mir wurde erklärt, dass die GF eine Art Nebenprodukt das aufkommenden Handels gewesen sei. Die ersten Händler, die zumeist landwirtschaftliche Überschüsse verkauften, schenken anfänglich Ihren Kunden eine ganze Menge zusätzlicher Dinge, damit die neue Partnerschaft prosperieren und gedeihen sollte. Und vor allem sollten die Kunde wiederkommen. Während nun in die modernen Geschäftsbeziehungen das Monetäre Einzug gehalten hat, wird diese Art sozialer Austausch weiterhin gepflegt. So jedenfalls die These.
Ob diese auch eine wissenschaftliche Betrachtung standhält, vermag ich nicht zu sagen. Eins habe ich jedoch unmittelbar erfahren – die irakische Gastfreundschaft ist unerhört. Schon am ersten Tage wurde ich Zeuge wie sich zwei ältere Herren in einem Restaurant fast prügelten, da keiner von beiden den anderen zahlen lassen wollte. Ich habe mir sagen lassen, dass manchmal sogar mit vorgehaltener Waffe dieses Thema „ausdiskutiert“ wird.
So gesehen bin ich also nochmal glimpflich davongekommen. Sollten Sie demnächst planen in den Irak zu reisen, fangen Sie bitte nicht an bei der Rechnung ernsthaft zu diskutieren. Das kann Ihnen ganz schnell übel genommen werden und ihr Gegenüber würde vermutlich nur sein Gesicht verlieren. Genießen sie lieber dieses unglaubliche Land und seine Menschen. Und wenn sie zurück zu Hause sind, bedroht sie sicherlich niemand, wenn sie ausnahmsweise mal ihre ausländischen Gäste einladen.






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