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Eine Reise in den Nordostsudan

Die weitverbreitete Acacia plastica
Die weitverbreitete Acacia plastica

Anfang Oktober reiste ich nach Khartum, um mir ein Bild vom Osten des Sudan zu machen. Mein erster Eindruck von Khartum: What a shithole! Die Müllberge, das ungeplante Wuchern der Vororte und die Armut der Menschen fallen sofort auf. Allein die komplizierte Suche nach einem Shisha Cafe reißt mich sofort aus jeglicher „Ferne Länder-Abenteuerromantik“ heraus. Im Nordsudan herrscht Shari’a und das seit knapp 30 Jahren. Shisha Rauchen ist genauso verboten wie Alkohol.

Zuerst folgen wir der Route entlang des Nil, die die meisten der verschwindend geringen Anzahl westlicher Touristen üblicherweise nehmen. In Atbara verließen wir dann das Niltal und folgten den Sattelschleppern Richtung Osten ans Rotes Meer. Die 500km lange einspurige Straße folgt der ehemaligen, von den Briten erbauten Eisenbahnstrecke, die heute leider nur noch für Güterverkehr genutzt wird. Vor der Eisenbahn beherrschten die Beja- Nomaden mit Ihren Kamelen, die vor allem für Pilger wichtige Verbindung vom Niltal ans Rote Meer. Heutzutage verlassen auf diesem Wege unzählige LKW-Ladungen Schafe und Ziegen das Land in Richtung Saudi-Arabien. In der anderen Richtung sehen wir Stahlträger, Autos, Pumpen, kurz Industriegüter aus dem Westen. Aber auch die Beja leben heute noch in der Region. Die Frauen erkennt man schon von weitem an ihren bunten Gewändern. In Zelten beiderseits der Straße campen diese Kamelnomaden. An der einzigen Tankstelle auf der gesamten Strecke verkaufen Sie Kaugummi.

Überfahrene Tiere säuen die Straßen des Landes
Überfahrene Tiere säuen die Straßen des Landes

Eine der angenehmsten Überraschungen der gesamten Reise stellte der Besuch in der ehemaligen britischen Hillstation Erkowit dar. Vom Gebel Sitt hatten wir einen ausgezeichneten Blick hinunter in die heißen Wüstenebenen bis an das Rote Meer. Das ganzjährig angenehme Klima schätzen viele Sudanesen und kommen in den heißen Monaten hier hoch in die Berge, Auch der ehemalige Präsident Numeri hat sich hier eine Villa erbauen lassen. Ganze fünf Tage Fußmarsch ist man hier noch von Suakin entfernt. Wer diese Strecke auf sich nehmen möchte, benötigt die Erlaubnis des Chefs der hier lebenden Beja.

In Port Sudan, dem einzigen Hafen des Sudan, herrscht dann plötzlich eine ganz andere, viel offenere Stimmung als noch in Khartum. Die Stadt ist auf den ersten Blick sauber und aufgeräumt. Man fühlt sich wohl. Und Shisha rauchen auf offener Straße ist kein Problem mehr. Die in der Umgebung der Stadt befindlichen Riffe zählen zu den schönsten Tauchrevieren der Welt. Hier erbaute Jaques Cousteau seine Unterwassersiedlung Precontinent II, die durch die oskargekrönte Dokumentation „Le monde du Silence“ bekannt geworden ist.

Wenige Kilometer südlich der Hafenstadt liegt ein anderes, nur wenigen bekanntes Juwel: Die ehemalige Hafenstadt Suakin. Über viele Jahrhunderte hinweg war Sie der Umschlageplatz und Anlaufpunkt für die Händler entlang des Roten Meeres. Auf einer Insel erbaut, wurde Sie schnell als das „Venedig des Roten Meeres“ berühmt. Nachdem die Briten Port Sudan erbaut hatten, verließen jedoch ihre Bewohner die Stadt nach und nach und sie verfiel. Heute kann man nur noch mit großer Vorstellungskraft ihre einstige Schönheit imaginieren.

Moschee vor den Toren von Suakin
Moschee vor den Toren von Suakin

Ein weiterer mehr als 600km langer Ritt durch die Gebirgs-, Stein und Sandwüsten des Ostsudan, auch als Land der Beja bekannt, brachte uns, immer entlang der ehemaligen britischen Eisenbahn-linie, nach Kassala. Die Stadt liegt in der Nähe der eritreischen Grenze und ist umgeben von grünen Feldern. Die sich an den Bergen abregnenden Wolken bringen das notwendige Nass, das die Region ihre Fruchtbarkeit verdankt. Die Stadt selbst ist keine Schönheit, hat aber auf den zweiten Blick einiges zu bieten. Es gibt ein Haussa-Viertel, wo die Nachkommen der aus Westafrika stammenden Pilger, welche auf Ihrer Reise nach Mekka hängengeblieben sind, wohnen; es gibt Beja- Nomaden mit ihren längen Schwertern, die sie stolz mit sich herum tragen; es gibt die Rashaida, Nomaden von der arabischen Halbinsel, die erst vor etwa 100 Jahren in die Region eingewandert sind; es gibt sehr viele Äthiopier und Eritreer und es gibt Inder, wie fast überall auf dieser Welt.

Der Rest der Reise ist schnell erzählt, viel grüne platte Landschaft, die hier und da von kleinen und großen aus dem Hochland kommenden Flüssen durchschnitten wird. Etwa 200km südlich von Kassala beginnt die Baumsavanne und mit Ihr die ersten, an Schwarzafrika erinnerten, Rundhütten. Wir haben nun den mehrheitlich von arabischen Sudanesen geprägten Nordsudan Richtung Schwarzafrika verlassen. Dabei bildet der Atbara-Fluss die Regenfeldbaugrenze. Bis zum Blauen Nil passierte dann nicht mehr viel. Wad Medani hat bis auf einige heruntergekommene ehemalige britische Villen am Fluss wenig zu bieten. Auffällig war hier, wie im gesamten Ostsudan ,das völlige Fehlen einer touristischen Infrastruktur.

Kassala
Kassala

Kurzum, wer also das touristisch halbwegs erschlossene Niltal Richtung Osten verlässt, begibt sich auf ein Abenteuer ganz besonderer Art. Er bereist eine seit Schweinfurths Zeiten auf den ersten Blick weitgehend unveränderte Region, die jedoch eine Menge zu bieten hat. Jedoch nicht im klassisch touristischen Sinne in Form von Höhepunkten oder einmaligen Naturschauspielen. Wer nach unverfälschten Aufeinandertreffen mit anderen Kulturen sucht, ist hier richtig. Gleichwohl die omnipräsente Geheimpolizei wenig Spielraum für Spontanität bietet. Fehlende Standards bei den Unterkünften und die Shari’a werden auch in Zukunft dafür „sorgen“, dass diese Region nur etwas für leidenschaftliche Reisende bleibt.