Editorial

Editorial

In welch dekadenter Welt leben wir, wie gelangweilt sind wir eigentlich, dass wir mit einem Roller, mit dem Floß oder per pedes um die Welt reisen müssen? Was kommt als nächstes? Rückwärts gehend den Kilimanjaro besteigen oder mit drei thailändischen Frauen auf einmal ins Bett gehen? Die in diesem Zusammenhang stehende Praxis des „Ländersammelns“ lehnen wir genauso ab, wie die Inszenierung von Festen und Ritualen gegen Geld und bleiben skeptisch gegenüber den neuen „Supertraveler“, die in Form von Multimedia-Diashows übers Land ziehend für uns „fremde“ Kulturen fein arrangiert bereithalten.

All diese Akteure haben ein gemeinsames, selten explizit formuliertes Ziel: die Suche nach dem Authentischen, nach den letzten noch von der Zivilisation verschonten Orten dieser Welt, unerforschten Ethnien in den Tiefen des Regenwaldes, den letzten weißen Flecken in der Antarktis oder einfach eine Reise, wie sie vorher in dieser oder jenen Form noch niemand gemacht hat.

Dies hat heute zum einen dazu geführt, dass die Bereisten auf ihre kuriosen Aspekte verkürzt werden. Niemand scheint sich mehr für die Lebenswelten der Menschen zu interessieren, die auf Reisen besucht werden. Der „normale Wilde“ ist kein Foto wert. Den nur fremdartig, exotisch wirkende Menschen erregen das Interesse der zu Hause Gebliebenen und steigern somit das social ranking des aus der Fremde Zurückgekehrten. Zum anderen hat in den gängigen Reisemagazinen nur noch Platz, was sich vermarkten lässt und was das Reiseerlebnis des gut situierten Klientels, das vor allem für o.g. Abenteuer viel auszugeben bereits ist, nicht schmälert oder gar trübt.

Die Betonung des individuellen (Reise-)Erlebnisses und der „das- habe- ich- bezahlt-Mentalität“ erhöht, und nicht verringert, wie die meisten vorgeben, die Arroganz und die Unkenntnis gegenüber anderen Menschen und verbreitert somit die Kluft zwischen Reisenden und Bereisten. Reisen ist in unser heutigen Gesellschaft leider oft zu einer Form der Selbstbestätigung, ja sogar als ein Teil der Konstruktion von Identität des Einzelnen verkommen.

TAWAHI möchte die strenge Fokussierung auf das Exotische, das Authentische, die Verkürzung des Erlebnisses einer Reise auf die Frage: mit welcher Kamera man die Bilder geschossen hat oder welche Outdoorjacke man trug, hinter sich lassen. Wir sind der Ansicht, dass es gegenwärtig keine Publikation gibt, die sich mit relevanten Themen mit dem Schwerpunkt Reisen im weitesten Sinne beschäftigt, die nicht einzig und allein den vermeintlichen Wünschen und Träumen des gut situierten, besser gebildeten Reisekunden transportiert. Tawahi hat sich zur Aufgabe gemacht diese Lücke zu schließen.

Um dem gerecht zu werden, erweitert Tawahi den Begriff des Reisens auf alle im Zusammenhang mit Bewegung stehenden Themen und Personen. Dass schließt sowohl diejenigen genauso mit ein, die eine Reise „produzieren“, wie auch jene die Sie konsumieren. Genauso werfen wir aber auch ein Licht auf alljene Menschen, die sich aus den verschiedensten Gründen, sei es aus Liebe zu einem anderen Menschen, aus Angst vor Krieg und Hunger oder auch zum Zweck der Arbeitsaufnahme neue Orte aufsuchen.

Kurzum: Was Menschen auf diesem Planeten in unserer Zeit bewegt, wird in Tawahi nachlesbar sein. Ziel ist es, ein besseres Verständnis des global village anhand von Geschichten einzelner scheinbar völlig unbedeutenden Menschen zu bekommen. Ganz nebenbei erfahren wir dadurch eine ganze Menge über uns und das Denken/ Wahrnehmung der „Anderen“ von uns.

Tawahi möchte anregen, über sich und sein Handeln in dieser Welt, mit Hilfe von Berichten, Artikeln oder Reportagen über rastlose Menschen oder Menschen, die mit dem Befördern anderer ihren Lebensunterhalt verdienen, nachzudenken.

Wenn es uns gelingt, Reisen als Möglichkeit des Erfahrung Sammelns, des Lernens, als Chance zur Erkenntnis zu begreifen und diese jenseits jeglicher Konsumlogiken zu unternehmen, dann haben wir einen Schritt hinzu einem ausgewogeneren Verständnis von uns selbst im globalen Kontext geleistet und somit, so die Hoffnung von Tawahi, der Festung Europa einen weiteren Riss zufügen zu können.

Wir möchten unsere Leser auf eine Reise in eine Welt voller Vielfalt, Brutalität, Schönheit und Innovation einladen.

Wenn Sie etwas Gutes tun möchten, fangen Sie bei sich selbst an.

“Unbroken happiness is a bore” (Moliere)